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Laufbericht zum ING New York City Marathon 2007

 

Finishing is your only fucking option

Als Papa mir seinerzeit offenbarte, daß er mal gerne einen Marathon mit mir laufen würde und dann recht schnell kar war, daß es nicht bei einem Marathon bleiben würde, war auch recht schnell klar, daß unter den noch zu laufenden der New York City Marathon dabei sein sollte. Manifestiert haben wir unser Vorhaben dann auf der Messe des Hamburg-Marathons im April 2006 am Stand von Karstadt Sportreisen.

Von Beginn an als Familienreise geplant (weil das ja klar ist!) saßen kaum eineinhalb Jahre später Mama, Papa und ich am 01. November 2007 im Flieger in Richtung Big Apple. Sanne war leider nicht mit von der Partie, da wir uns zum Zeitpunkt der Buchung der Reise ja noch nicht kannten. Kaum zwei weitere Tage später - nach diversen Sighseeing- und Shoppingtouren - warteten Papa und ich mit mehreren anderen Karstadt-Sportreisenden am Morgen des 04. November 2007 um 05:45 Uhr in der Hotellobby auf den Bus, der uns zum Start des New York City Marathons bringen sollte. Papa war noch ein bissel blaß um die Nase, da er sich am späten Freitag abend auf dem Empire State Building einen Schnupfen eingefangen hatte. Mamas Rat, sich am Freitag bloß was warmes anzuziehen, wurde offensichtlich gepflegt überhört und nun hatten wir beinahe den Salat.

Der Bus brachte den leicht verschnupften Papa und mich dann zum Fuß der Verrazano Narrows Bridge auf Staten Island, NY. Dort, genau gesagt auf dem Gelände des Fort Wadsworth, befand sich das Basiscamp für die 40.000 Marathonis, die nun irgendwie die nächsten drei Stunden zwischen Ankunft an der Brücke (07:00h) und Start (10:00h) überbrücken mussten. Und womit vertreibt man sich am besten die Zeit? Genau! Frühstücken!

Eingeteilt nach den drei Startbereichen rot, grün und blau wurde man dort mit Kaffee, Tee, Milch, Bagels und Keksen verpflegt. Bei dem glücklicherweise herrlichem Wetter herrschte dort eine regelrechte Volksfestatmosphäre. Obwohl ich eigentlich für den grünen Block eingeteilt war, gesellte ich mich mit in Papas blauen Block, denn zum Einen hätten wir uns unterwegs mit Sicherheit nicht mehr getroffen und zum Anderen startete der grüne Block über das untere Stockwerk der Brücke und wer will da schon laufen?

Nach dem dritten Tee kam glücklicherweise langsam wieder Farbe in Papas Gesicht. Während wir am Tag vorher noch nicht sicher waren, ob Papa überhaupt würde starten können, und er am Marathon-Morgen immer noch ein wenig blaß war, sahen wir nun der weiteren Tagesplanung deutlich entspannter entgegen. Nachdem die Kleiderbeutel bei den UPS-Lastern verstaut waren, reihten wir uns dann langsam in die Startaufstellung ein. Heißa, war das voll da. Eigentlich auch kein Wunder, denn 40.000 geteilt durch die drei Startbereiche macht nach Adam sein' Riesen 13.333 und das sind immer noch eine ganze Menge Leute, wenn sie in einer Schlange stehen.

Eine gute Viertelstunde vor dem Start wurden wir dann an die Startlinie herangeführt, die zum Warmhalten mitgenommenen Klamotten wurden fix ausgezogen und flogen im hohen Bogen nacht rechts und links aus der Schlange heraus bzw. gingen als Kleiderregen auf die außen in der Schlange stehenden nieder. Da wir in der blauen Schlange auf einigen Umwegen zum Start geführt wurden, bekamen wir leider von der Nationalhymne vor dem Start und Frank Sinatras "New York, New York" nach dem Start nicht so viel mit. Der Startschuss hingegen war laut und deutlich und schien aus einer im Fort vergessenen Kanone zu stammen.

Da ging er nun los, der New York City Marathon. Über fünf Brücken ging es auf den kommenden 42,195 km oder 26 meilen und 385 yards durch die Stadtteile Staten Island, Brooklyn, Queens und Bronx nach Manhattan.

Als erstes wartete direkt die Verrazano Narrows Brücke auf uns. Mit einer Spannweite von 1298 metern zwsichen den Pfeilern ist sie die größte Hängebrücke der USA und mit einer Höhe von knapp 70 metern auch gleich der höchste Punkt des Marathons. Da man sich auf den ersten kilometern eh warmläuft und wir zunächst aus dem Staunen nicht mehr herauskamen ist uns diese Steigung irgendwie gar nicht aufgefallen. Wie bei jedem Marathon muss bei vielen Läufern auf den ersten ein- bis zwei Kilometern - hier also ziemlich genau mitten auf der Brücke - das vorher in Mengen in sich hineingschüttete Wasser wieder heraus und wo macht man das am besten auf einer Brücke? Genau - am Rand! Ein weiterer Grund, warum wir heilforh waren, nicht eine Etage tiefer laufen zu müssen...

Von der Brücke aus hatten wir einen fantastischen Blick in Richtung der Freiheitsstatue und dem dahinter liegenden Manhattan, genau gesagt, der Südspitze. Das Ziel liegt bekanntlich im Central Park und der ist noch ganz schön weit weg.

Am Start und auf der Brücke sind leider keine Zuschauer erlaubt, so daß es auf den ersten zwei Kilometern noch recht ruhig war. Dies sollte sich aber bald ändern.

Denn am anderen Ende der Verrazano Narrows Brücke erreichten wir Brooklyn und nach einigen wenigen Kurven bogen wir auf die 4th Avenue ein und vor uns lag eine annähernd 10 km lange Gereade vor uns, die rechts und links mit Zuschauern gefüllte war. Während zu Beginn der 4th avenue das Publikum sich überwiegend aus irisch- und italienisch-stämmigen Amerikanern zusammensetzte, waren weiter nördlich eher Asiaten und spanisch-stämmige Zuschauer an der Strecke. Aufgrund dieser Zuschauervielfalt ist uns im Nachhinein betrachtet gar nicht aufgefallen, dass es eine Stunde lang nur geradeaus auf ein Gebäude zuging.

Nachdem die 4th avenue gemeistert war (da war sie dann auch definitiv zu Ende) gings im Zick-Zack-Kurs in Richtung Queens. Aber erstmal wurde noch das Judenviertel in Williamsburg durchlaufen und man hat das Gefühl, als wäre hier vor einigen Jahrzehnten die Zeit stehen geblieben. Für uns Marathonis hatten die sehr traditionell verwurzelten Juden dort aber mal gar nix über und standen nur recht teilnahmslos am Straßentrand herum. Für jemanden, der vor der letzten Kurve noch von einer jubelnden Menschenmasse umgeben war, war das ein kleiner Kulturschock.

Irgendwann war auch dieser Abschnitt gemeistert und ehe wir uns versahen, befanden wir uns auf der Pulaski-Brücke, welche die Stadtteile Brooklyn und Queens miteinander verbindet. Dort war dann auch der Halbmarathon und die Zeit von 02:15h zeigte uns, daß wir doch recht fix unterwegs waren.

Der Trip durch Queens dauerte nur zwei kurze, aber abwechslungsreiche Meilen, bevor es über die Queensboro Bridge zum ersten mal hinüber nach Manhattan ging. Diese Brücke war verflixt unangenehm, denn sie war recht hoch, mit über 2km ziemlich lang und somit ging es über einen Kilometer nur bergauf. Mit ca. 24km in den Beinen macht das mal gar keinen Spaß und daher gings auch gaaaanz langsam da rauf.

So unangenehm der Aufstieg auf die Brücke war, so umwerfend war dann der anschließende Empfang in Manhattan. Bereits auf der Brücke hörten wir ein ziemliches Getöse und als wir auf die 1st avenue einbogen, war dort schlicht weg die Hölle los. Die Zuschauer standen in dreier- oder viererreihen und jubelten was das Zeug hielt. Papa und ich waren restlos begeistert und daß es mal wieder über fünf Kilometer lang nur geradeaus ging, ist uns ebenfalls mal wieder nicht wirklich aufgefallen. Dank der riesengroßen Karstadt-Fahne entdeckten wir auch die Supporter-Truppe und somit auch Mama, die uns für die verbleibenden 15km ein gutes Durchhaltevermögen wünschte.

Gefehlt haben mir natürlich die süßen Küsse meiner lieben Sanne, die den Lauf frisch operiert von der heimischen Couch angeschaut hat. An Stelle der Küsse musste dann ein Telefonat her, allerdings musste ich bei dem Lärm an der Strecke schon in der Straßenmitte laufen, um es wenigstens ein bischen ruhiger um mich herum zu haben.

Am Ende der 1st avenue ging es dann über die Willis Avenue Bridge ab in die Bronx, dem ärmsten New Yorker Stadtteil mit der bekanntlich höchsten Kriminalitätsrate. Also fix einen Riemen auf die Orgel geschmissen, einen Blick aufs Yankee-Stadion geworfen und dann auch schnell über die Madison Avenue Bridge wieder zurück nach Manhattan.

Dort durchliefen wir dann Harlem und kamen auf die 5th Avenue, auch bekannt als die Museumsmeile von New York. Auf Höhe der 110ten Straße erreichten wir die Nordostecke des Central Parks und waren somit dem Ziel greifbar nah. Als wir die 90ste Straße erreicht hatten, bogen wir dann in den Central Park ein und wer glaubte, dass es ab da nur noch ein Spaziergang wird, war reichlich schief gewickelt. Im Central Park machten die Wege nochmal ein rechtes auf und ab. Da wir allerdings hinter jeder Kurve die Karstadt-Sportreisen-Supporter-Truppe mit Mama dabei vermuteten, haben wir die Gehpausen auf ein absolutes Minimum beschränkt.

Mama trafen wir dann ungefähr bei km 40 und die noch folgenden zweikommairgendwas vergingen dann wie im Flug. An der Südostecke des Central Parks gings nochmal raus aus dem Park auf die breite 59ste Straße zur Südwestecke am Columbus Circle. Mit dem Wissen, daß wir den New York - Marathon in unter fünf Stunden schaffen würden, genossen wir noch einmal diese einzigartige Atmosphäre.

Am Columbus Circle geht's nochmal hinein in den grünen Park auf eine grandiose Zielgerade bis zur Tavern on the green, wo wir nach vier Stunden, dreiundfünfzig Minuten und sechsunddreißig Sekunden die Ziellinie überquerten. Mit dieser Zeit befanden wir uns unter den ersten 30.000 Läufern und schafften wir es sogar in die Ergebnislisten der New York Times und ich war natürlich stolz bis über beide ohren auf meinen Papa über diesen grandiosen Lauf mit seinen 71 Lenzen!

In seiner Altersklasse kam Papa übrigens auf Platz 24 von 121 Starten zwischen 70 und 74 Jahren! Grandios!

Nachdem wir unsere Medallien sowie die Zielverpflegung erhalten und ich mit Sanne telefoniert hatte, machten wir uns auf den Weg zu unseren Klamotten. So optimal die Organisation des Laufs war, so langsam ging es nach der Ziellinie vorwärts. Erinnerungen an den letzten Besuch eines Weihnachtsmarktes an einem Sonntagnachmittag wurden da wach. Die UPS-Laster standen brav aufgereiht hintereinander, dazwischen jeweils ein Biertisch als Ausgabe, macht also ca. 10 Meter pro Wagen. Unsere Klamotten lagen in den Wagen 65 und 66 - prost Mahlzeit!

Irgendwann erreichten wir dann doch noch die Wagen mit unseren Sachen drin, genossen die dort in der mitgebrachten Thermoskanne lagernde klare Brühe, zogen uns noch einige wärmende Klamotten an und machten uns auf den Heimweg zum Hotel und zur wohlverdienten Dusche.

Mama hatte sich in der Zwischenzeit von der Karstadt-Supportertruppe abgeseilt und sich ebenfalls auf zum Hotel gemacht, wo wir sie dann getroffen haben. Daß sie sich alleine in der großen Stadt auf die Socken gemacht hat, fand ich überaus beeindruckend.

Den Abend haben wir dann mit sehr leckeren Steaks und sehr leckerem Wein gebührend gefeiert.

Fazit: ein unheimlich toller Lauf in einer atemberaubenden Stadt mit einer irren Zuschauerkulisse. Diesen Lauf mit Papa gemeinsam gelaufen zu sein, war natürlich das Sahnehäubchen obendrauf. Die Organisation des Laufs sowie die Organisation seitens Karstadt-Sportreisen war sehr gut. Aber für den nächsten Lauf steht jetzt schon fest: da ist Sanne wieder mit dabei, denn auf die süßen Küsse im Ziel möchte ich nicht noch einmal verzichten!